# Die Kunst der Aktienstruktur: Worauf ausländische Unternehmen in China achten müssen Guten Tag, geschätzte Leser. Mein Name ist Liu, und ich blicke auf über 14 Jahre Erfahrung in der Registrierungsabwicklung für ausländische Investoren in China zurück, davon 12 Jahre bei der Jiaxi Steuer- und Finanzberatungsgesellschaft. In dieser Zeit habe ich unzählige Unternehmen dabei begleitet, ihren Fuß auf den chinesischen Markt zu setzen. Dabei war und ist die Gestaltung der **Aktienstruktur** einer der entscheidendsten und oftmals unterschätzten Hebel für langfristigen Erfolg oder schlaflose Nächte. Es ist nicht nur eine buchhalterische Übung, sondern das strategische Fundament, das Steuerlast, Kontrolle, Flexibilität für künftige Finanzierungsrunden und sogar den Exit bestimmt. Viele Investoren denken zunächst an Marktchancen und Produktstrategie – völlig richtig. Doch eine nachträglich nur mit hohem Aufwand korrigierbare Kapitalstruktur kann selbst das brillanteste Geschäftsmodell ausbremsen. Dieser Artikel soll Ihnen als investierender Leser eine praxisnahe Landkarte an die Hand geben. Wir tauchen ein in die key considerations, die jenseits der Standard-Lehrbücher liegen und sich aus dem täglichen Geschäft mit Behörden, Joint-Venture-Partnern und internen Konflikten speisen.

Kapitalisierungsform: Der erste strategische Weichensteller

Die Wahl zwischen einer Wholly Foreign-Owned Enterprise (WFOE) und einem Joint Venture (JV) ist der grundlegendste Schritt, der die gesamte spätere Aktienstruktur prägt. In meiner Praxis sehe ich oft, dass diese Entscheidung zu leichtfertig getroffen wird. Eine WFOE bietet maximale Kontrolle und schützt geistiges Eigentum – klar. Aber sie schließt auch den Zugang zu bestimmten, restriktiven Industriesektoren aus und kann den Zugang zu lokalen Netzwerken erschweren. Ein Joint Venture hingegen öffnet Türen, ist aber ein Vertrauenskonstrukt, dessen Aktienstruktur mit äußerster Sorgfalt ausgehandelt werden muss.

Ein prägnantes Beispiel aus meiner Arbeit: Ein deutscher Maschinenbauer wollte in den chinesischen Energiesektor. Eine WFOE war aufgrund von Beschränkungen nicht möglich. Statt eines klassischen 50:50-JVs, das bei Pattsituationen zu handlungsunfähigen Deadlocks führen kann, entwarfen wir eine Struktur mit 51% für den lokalen Partner und 49% für das deutsche Unternehmen. Der Clou lag in der Satzung: Entscheidungen zu Schlüsseltechnologie, Budget und der Ernennung des Geschäftsführers für Operations bedurften einer 2/3-Mehrheit, womit unser Klient ein effektives Vetorecht in Kernbereichen sicherte. Die reine Prozentzahl auf dem Papier ist oft trügerisch; die wahre Macht liegt in den mit den Aktien verbundenen Sonderrechten.

Worauf ist bei der Gestaltung der Aktienstruktur ausländischer Unternehmen in China zu achten?

Hier kommt auch das Konzept der **subscribed vs. paid-in capital** ins Spiel. Viele Unternehmen zeichnen ein hohes Grundkapital, zahlen aber nur einen Teil ein, um flexibel zu bleiben. Das ist prinzipiell klug, aber Achtung: Bei einem Joint Venture kann ein geringer eingezahlter Anteil Ihr Stimmgewicht und Ihre Verhandlungsmacht bei Kapitalerhöhungen schwächen. Der lokale Partner könnte dann durch eine Nachschusspfmlung plötzlich die Mehrheit übernehmen – ein klassischer Fall von "Capital Call Trap", den ich leider schon erlebt habe.

Stamm- vs. Vorzugsaktien: Flexibilität für die Finanzierungsreise

Das chinesische Gesellschaftsrecht ist hier weniger flexibel als in einigen Offshore-Jurisdiktionen, aber dennoch bieten sich Gestaltungsspielräume. Die Einführung von unterschiedlichen Aktienklassen, etwa durch Sonderrechte in der Satzung, ist für ausländische Investoren, die später weitere Finanzierungsrunden planen, absolut kritisch. Denken Sie an Venture Capital oder Private Equity: Diese Investoren werden fast immer Vorzugsrechte verlangen.

Diese können umfassen: Vorzugsrechte bei Liquidation (Liquidation Preference), das Recht, ihre Aktien zu einem späteren Zeitpunkt in Stammaktien des Unternehmens oder gar der ausländischen Muttergesellschaft umzuwandeln (Conversion Rights), oder Anti-Verwässerungs-Schutz (Anti-dilution Protection). Wenn Ihre ursprüngliche Aktienstruktur diese Instrumente nicht vorgesehen hat, ist eine nachträgliche Einführung mühsam und erfordert die einstimmige Zustimmung aller Aktionäre – ein fast unmögliches Unterfangen, sobald Interessen divergieren.

Ich erinnere mich an ein Tech-Startup mit Sitz in Shanghai, das mit einer simplen 100%-Stammaktien-Struktur begann. Als die erste große Finanzierungsrunde mit einem US-Fonds anstand, mussten wir notgedrungen eine komplett neue Holding-Struktur im Ausland aufsetzen, um die gewünschten Vorzugsrechte abzubilden – ein steuerlich und administrativ aufwändiger Prozess, der Monate kostete und die Verhandlungen gefährdete. Der Lernpunkt: Auch wenn Sie heute keinen Bedarf sehen, bauen Sie die Option für differenzierte Rechte von Anfang an in Ihre Satzung ein.

Knackpunkt Kapitalerhöhung und Verwässerung

Jedes wachsende Unternehmen steht irgendwann vor der Notwendigkeit, frisches Kapital aufzunehmen. Wie diese Kapitalerhöhung (Equity Financing) strukturiert wird, hat direkte Auswirkungen auf die Anteile der bestehenden Aktionäre. Die naive Annahme, jeder beteilige sich einfach proportional, tritt in der Praxis selten ein. Oft bringen neue Investoren nicht nur Geld, sondern auch strategische Partnerschaften mit, die einen höheren Anteil rechtfertigen sollen.

Die zentrale Frage ist: Wie schützen sich die Altgesellschafter vor übermäßiger Verwässerung (Dilution)? Hier sind Vorkaufsrechte (Pre-emptive Rights) in der Satzung essentiell. Sie geben bestehenden Aktionären das Recht, sich proportional an einer neuen Runde zu beteiligen, um ihren prozentualen Anteil zu halten. Noch wichtiger sind jedoch klar definierte Prozesse für die Bewertung (Valuation) des Unternehmens bei einer Kapitalerhöhung. Ein undurchsichtiges Bewertungsgutachten ist der häufigste Streitpunkt unter Partnern.

In einem meiner begleiteten Fälle hatte der deutsche Anteilseigner eines Joint Ventures vertraglich ein Vorkaufsrecht. Als der chinesische Partner frisches Kapital von einem befreundeten Dritten einwerben wollte, zu einem aus unserer Sicht überhöhten Bewertungspreis, konnten wir dieses Recht ziehen. Wir boten an, den Kapitalbedarf zu dem fairen Marktwert selbst zu decken. Das führte zwar zu kurzfristigen Spannungen, bewahrte aber die langfristige Stabilität der Anteilsverhältnisse und verhinderte eine schleichende Entmachtung. Ohne dieses vertraglich verankerte Recht wäre unser Klient machtlos gewesen.

Exit-Strategie: Der Weg muss von Anfang an mitgedacht werden

Viele Unternehmer und Investoren konzentrieren sich auf den Markteintritt und vergessen den Ausstieg. Doch eine kluge Aktienstruktur plant den Exit von Tag eins mit ein. Die beiden häufigsten Wege sind der Verkauf an einen strategischen Käufer (Trade Sale) oder einen Finanzinvestor, oder der Börsengang (IPO) in China, etwa am STAR Market oder ChiNext.

Für einen reibungslosen Verkauf sind Drag-Along-Rechte unverzichtbar. Sie ermöglichen es einem Mehrheitsgesellschafter, die Minderheitsgesellschafter zu zwingen, im Falle eines attraktiven Verkaufsangebots ebenfalls ihre Anteile zu veräußern. Das macht das Unternehmen für Käufer wesentlich attraktiver, da sie 100% der Anteile erwerben können. Umgekehrt schützen Tag-Along-Rechte Minderheitsgesellschafter: Wird der Mehrheitsgesellschafter seine Anteile los, dürfen die Minderheiten zu denselben Bedingungen mitverkaufen.

Für einen IPO wiederum gelten strenge regulatorische Anforderungen an die Aktienstruktur. Mehrstufige Holding-Konstrukte, undurchsichtige Beteiligungen über Treuhandverträge (VIE-Strukturen in bestimmten Sektoren) oder komplizierte Vorzugsaktien-Regelungen müssen oft vor dem Börsengang bereinigt werden. Ein Unternehmen, das von vornherein mit einem IPO als Ziel arbeitet, sollte seine Satzung und Aktionärsvereinbarungen so gestalten, dass sie im Großen und Ganzen den Börsenvorschriften entsprechen. Nachträgliche Änderungen unter dem Druck der Securities Regulatory Commission sind extrem stressig und teuer, das kann ich Ihnen aus erster Hand sagen.

Steuerliche Implikationen: Die stille Macht im Hintergrund

Die Aktienstruktur ist untrennbar mit steuerlichen Konsequenzen verbunden. Eine der wichtigsten Entscheidungen ist die Wahl der Holding-Location. Halten Sie Ihre chinesische Tochtergesellschaft direkt aus dem Heimatland oder über eine Zwischenholding in Singapur, den Niederlanden oder Hongkong? Der Unterschied kann über Millionen an Steuerlast bei Gewinnausschüttungen (Dividenden) und beim späteren Verkauf der Beteiligung (Kapitalerträge) entscheiden.

China hat ein dichtes Netz von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Die Ausschüttung von Dividenden aus China unterliegt in der Regel einer Quellensteuer von 10%. Ein gutes DBA kann diesen Satz reduzieren, oft auf 5% oder sogar 0%, wenn bestimmte Bedingungen (wie Mindestbeteiligungsquoten und Haltefristen) erfüllt sind. Die Gestaltung der Aktienkette muss diese Abkommen optimal nutzen. Ein Fehler, den ich häufig sehe: Ein deutscher Investor hält direkt, nutzt also das deutsch-chinesische DBA. Das ist gut. Aber wenn er später Teile seiner Anteile an einen US-Fonds verkaufen möchte, ist dieser direkte Pfad oft steuerlich ungünstiger als ein Verkauf der Anteile an einer zwischengeschalteten Holding, die ihrerseits ein optimales DBA mit China hat.

Ein praktischer Tipp aus meiner Werkzeugkiste: Achten Sie bei der Kapitaleinlage nicht nur auf den Nominalwert. Die Bewertung, zu der Sie Ihre Sach- oder Geldmittel einbringen (Contribution in Kind), wird vom chinesischen Steueramt genau geprüft. Eine zu niedrige Bewertung kann zu versteckten steuerlichen Nachteilen führen, eine zu hohe zu unnötiger Stempelsteuer. Hier ist eine vorherige Abstimmung mit den Behörden (Pre-filing Consultation) Gold wert, auch wenn es etwas Zeit kostet.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Gestaltung der Aktienstruktur für ausländische Unternehmen in China ist kein einmaliger Akt, sondern ein dynamischer, strategischer Rahmen, der Wachstum, Partnerschaften und den finalen Exit ermöglichen muss. Wie wir gesehen haben, geht es weit über die prozentuale Verteilung hinaus: Es ist die präzise Ausgestaltung von Kontrollrechten in Joint Ventures, die vorausschauende Integration von Finanzierungsinstrumenten, der aktive Schutz vor Verwässerung, die verpflichtende Einplanung von Exit-Optionen und die tiefe Verzahnung mit internationaler Steuerplanung.

Meine persönliche Einsicht nach all den Jahren: Der größte Fehler ist die Unterschätzung der Komplexität und der Glaube, mit Standardvorlagen auskommen zu können. Jedes Unternehmen, jede Branche, jedes Partnerkonstellation hat ihre eigene DNA, die sich in der Aktienstruktur widerspiegeln muss. Die chinesische Regulierung entwickelt sich zudem rasant weiter, besonders in Schlüsseltechnologiebereichen. Was heute erlaubt ist, kann morgen überprüft werden.

Ich rate daher zu einem agilen Ansatz: Bauen Sie ein robustes, rechtlich sauberes Fundament, das gleichzeitig genug Flexibilität für unvorhergesehene Wendungen bietet. Holen Sie sich frühzeitig professionellen Rat, der sowohl die lokale chinesische Praxis als auch die globalen Ambitionen Ihres Unternehmens versteht. Und vor allem: Betrachten Sie Ihre Aktienstruktur nicht als lästige Formalie, sondern als das wertvollste strategische Dokument, das Sie in China besitzen. In einer sich wandelnden Welt ist eine kluge Kapitalstruktur der beste Stabilitätsanker.

Einsichten der Jiaxi Steuer- und Finanzberatung

Bei Jiaxi blicken wir auf eine lange Historie der Begleitung internationaler Investoren in China zurück. Unser zentraler Leitsatz in Sachen Aktienstruktur lautet: "Global denken, lokal verankern, zukunftsgerichtet gestalten." Eine optimale Struktur ist für uns nie nur die steuerlich effizienteste oder die mit den geringsten Gründungskosten. Sie muss ein lebendiges System sein, das drei Ebenen in Einklang bringt: Die Compliance mit dem sich stetig ändernden chinesischen Recht (von M&A-Regeln bis zu Cybersecurity-Gesetzen), die wirtschaftlichen Ziele und Risikoappetite der Investoren, und die menschliche Dynamik zwischen den Gesellschaftern. Wir haben gelernt, dass die besten Verträge die sind, die nie gezogen werden müssen – weil sie klare, faire und vorhersehbare Regeln für alle Eventualitäten setzen. Unser Ansatz ist daher stark präventiv: Durch intensive Workshops mit allen Beteiligten identifizieren wir nicht nur die offensichtlichen, sondern auch die versteckten Interessenkonflikte und bauen präventive Schlichtungsmechanismen direkt in die Aktionärsvereinbarungen ein. In einer Zeit, in der geopolitische Spannungen auch Geschäftsbeziehungen beeinflussen, wird eine resiliente, transparente und vertrauensfördernde Aktienstruktur zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Daran arbeiten wir täglich für unsere Mandanten.