Arbeitsverträge und Handbücher
Der Arbeitsvertrag ist das Fundament der Beziehung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter. In China, und damit auch in Shanghai, ist der Abschluss eines schriftlichen Vertrags gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Eine Prüfung beginnt daher immer hier. Im Fokus steht die vollständige Konformität mit dem Arbeitsvertragsgesetz der Volksrepublik China. Das klingt trocken, hat aber handfeste Konsequenzen. Geprüft wird etwa, ob alle obligatorischen Klauseln enthalten sind, wie Arbeitsort, -inhalt, -zeit, Vergütung, Sozialversicherung. Fehlen diese, kann die Behörde eine Nachbesserung fordern.
Besonderes Augenmerk liegt auf den Regelungen zu Probearbeitszeit, Arbeitszeitmodellen (z.B. unregelmäßige Arbeitszeiten oder umfassende Bereitschaftszeit, die beide einer behördlichen Genehmigung bedürfen) und den Kündigungsregelungen. Ein klassischer Fehler, den ich oft sehe, ist die unkritische Übernahme globaler Vertragsvorlagen. Diese enthalten häufig Klauseln, die nach chinesischem Recht unwirksam oder sogar illegal sind, wie zu pauschale Wettbewerbsverbote ohne entsprechende Kompensationszahlungen oder zu weit gefasste Geheimhaltungsklauseln. Ein solcher Vertrag bietet im Ernstfall keinen Schutz.
Ebenso kritisch ist das unternehmensinterne Regelwerk, oft im Employee Handbook gebündelt. Dieses muss demokratischen Verfahren unterliegen – also mit dem Betriebsrat (so vorhanden) diskutiert und den Mitarbeitern bekanntgegeben werden. Es kann nicht einfach vom HQ oktroyiert werden. Prüfer schauen genau, ob Disziplinar- und Leistungsbeurteilungssysteme rechtmäßig und nachvollziehbar sind. Ich erinnere mich an einen Fall bei einem europäischen Maschinenbauer: Das Unternehmen wollte einen leistungsschwachen Mitarbeiter nach globalen Standards kündigen. Das lokale Handbuch war jedoch lückenhaft und die Verfahren nicht eingehalten – am Ende stand eine kostspielige außergerichtliche Einigung anstelle der geplanten ordentlichen Kündigung. Die Lektion: Das Handbuch ist Ihr betriebliches Gesetzbuch. Es muss wasserdicht sein.
Sozialversicherung und Wohnungsfonds
Dies ist für viele ausländische Unternehmen der wohl komplexeste und kostenintensivste Bereich. In Shanghai müssen Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter fünf Sozialversicherungen (Renten-, Kranken-, Arbeitslosen-, Arbeitsunfall- und Mutterschaftsversicherung) sowie den obligatorischen Wohnungsfonds („Gongjijin“) abführen. Der Prüfschwerpunkt liegt hier auf Vollständigkeit und korrekter Bemessungsgrundlage. Es reicht nicht, nur einen Teil der Belegschaft anzumelden oder willkürlich niedrige Gehaltsbasen zu wählen.
Die Behörden haben in den letzten Jahren ihre Datenbanken vernetzt und prüfen zunehmend automatisiert. Abweichungen zwischen der gemeldeten Gehaltssumme für die Sozialversicherung und der tatsächlich für die persönliche Einkommensteuer deklarierten Summe werden schnell aufgedeckt. Ein typisches „Muddling Through“-Szenario, das ich häufig antreffe: Ein Unternehmen meldet für seine hochbezahlten Expatriates die Sozialversicherung nur auf der Basis des lokalen Mindestlohns, um Kosten zu sparen. Das ist ein klarer Verstoß mit hohem Risiko. Bei einer Prüfung werden nicht nur die Nachzahlungen für bis zu zwei Jahre fällig, plus tägliche Säumniszuschläge von 0.05%, sondern auch eine Strafe in Höhe des ein- bis dreifachen der unterlassenen Zahlungen.
Ein praktischer Tipp aus meiner Erfahrung: Legen Sie großen Wert auf eine saubere Gehaltsstrukturierung und eine transparente Kommunikation mit den Mitarbeitern. Manche Unternehmen bieten Mitarbeitern an, einen Teil des Gehalts „steuer- und abgabenoptimiert“ außerhalb der offiziellen Gehaltsabrechnung zu zahlen. Das ist hochriskant und ein absolutes No-Go. Compliance in diesem Bereich ist keine Kostenfrage, sondern eine fundamentale Verpflichtung. Der „Gongjijin“ ist übrigens für viele lokale Talente ein entscheidender Faktor bei der Jobwahl, da er für Hypotheken unverzichtbar ist – eine korrekte Handhabung ist also auch ein Recruiting-Argument.
Arbeitserlaubnisse für Ausländer
Shanghai mag international sein, aber die Beschäftigung ausländischer Fachkräfte unterliegt strengen Regularien. Eine Compliance-Prüfung wird hier sehr genau hinschauen. Der zentrale Punkt ist die vollständige und gültige Dokumentation für jeden ausländischen Mitarbeiter: Arbeitserlaubnis (Work Permit), Arbeitsvisum (Z-Visum bzw. dessen spätere Aufenthaltserlaubnis) und die korrekte Registrierung bei der Polizei. Diese drei Papiere müssen konsistent und aktuell sein.
Ein häufiges Problem ist die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Tätigkeit und der auf der Arbeitserlaubnis eingetragenen Position. Ein als „Senior Marketing Manager“ zugelassener Expat, der de facto die gesamte China-Operation leitet, könnte beanstandet werden. Auch Änderungen des Arbeitsortes innerhalb Shanghais oder Gehaltsanpassungen müssen oft der Behörde gemeldet werden. Ein krasser Verstoß ist die Beschäftigung von Ausländern mit bloßem Geschäftsvisum (M-Visum) oder gar Touristenvisum. Das ist illegal und kann zu hohen Geldstrafen für das Unternehmen, Einreisesperren für den Mitarbeiter und sogar strafrechtlichen Konsequenzen führen.
Ich habe einen Fall begleitet, bei dem ein US-Start-up seine ersten drei Ingenieure aus dem Silicon Valley nach Shanghai schickte, in der Annahme, das ließe sich „schon irgendwie regeln“. Sie arbeiteten monatelang mit Business-Visa. Bei einer Routinekontrolle durch das Büro für Ausländerbeschäftigung flog dies auf. Das Ergebnis: Sofortige Ausreiseanordnung für die Mitarbeiter, eine sechsstellige RMB-Strafe für das Unternehmen und ein erheblicher Reputationsverlust, der die spätere Beantragung legaler Erlaubnisse erschwerte. Die Botschaft ist klar: Planen Sie diesen Prozess mit großem Vorlauf und professionalisierter Unterstützung ein. Das ist keine Aufgabe fürs Sekretariat in Teilzeit.
Gehaltsabrechnung und Steuern
Die Gehaltsabrechnung ist das operative Herzstück des HR-Compliance. Hier laufen alle Fäden zusammen: Verträge, Arbeitszeiterfassung, Sozialversicherungsbeiträge und vor allem die persönliche Einkommensteuer (IIT). Die Prüfung konzentriert sich auf die korrekte Berechnung, Einbehaltung und fristgerechte Abführung der IIT. Seit der umfassenden Steuerreform 2019 mit der Einführung der jährlichen Steuererklärung (Annual Reconciliation) und der engen Vernetzung der Daten ist der Spielraum für „kreative“ Lösungen nahezu verschwunden.
Besonders sensibel sind die steuerlichen Behandlung von Sonderzahlungen wie Boni, Aktienoptionen (ein eigenes, komplexes Thema!), Abfindungen und vor allem grenzüberschreitenden Zahlungen. Zahlt die ausländische Muttergesellschaft direkt einen Teil des Gehalts auf ein ausländisches Konto des Expatriates, muss dieser Betrag dennoch in die chinesische Steuererklärung einfließen und unterliegt der Quellensteuerpflicht. Prüfer achten zudem auf die korrekte Anwendung von steuerfreien Zulagen (z.B. für Umzug, Kindererziehung, Sprachkurse innerhalb enger gesetzlicher Grenzen).
Ein praktischer Hinweis aus meiner täglichen Arbeit: Implementieren Sie ein robustes, audit-fähiges System für die Zeiterfassung und Gehaltsabrechnung. Überstundenvergütungen müssen gemäß Gesetz berechnet und ausgewiesen werden (normalerweise 150% des Standardsatzes, an Wochenenden 200%, an Feiertagen 300%). Fehlt dieser Nachweis, kann ein Mitarbeiter im Streitfall behaupten, Überstunden geleistet zu haben, und das Unternehmen hat keine Gegenbeweise. Das kann teuer werden. Saubere Buchhaltung und transparente Abrechnungen sind der beste Schutz.
Datenschutz und Informationssicherheit
Mit der Einführung des Personal Information Protection Law (PIPL) im Jahr 2021 hat China einen strengen Datenschutzrahmen geschaffen, der dem europäischen GDPR in vielen Punkten ähnelt, aber eigene Besonderheiten aufweist. Für HR-Abteilungen ist dies hochrelevant, da sie eine Fülle sensibler personenbezogener Daten verarbeiten: nicht nur Namen und Adressen, sondern auch ID-Nummern, Biometriedaten, Gesundheitsinformationen, Leistungsbeurteilungen.
Eine Compliance-Prüfung wird untersuchen, ob das Unternehmen eine rechtmäßige Grundlage für die Datenerhebung hat (z.B. Vertragserfüllung, gesetzliche Verpflichtung), ob eine separate Einwilligung für sensible Daten eingeholt wurde, und ob die Prinzipien der Datenminimierung und Zweckbindung eingehalten werden. Kann das Unternehmen nachweisen, warum es die Kopie des Personalausweises eines Mitarbeiters benötigt? Wo wird sie gespeichert? Wer hat Zugriff? Werden Daten etwa an den globalen HQ außerhalb Chinas übermittelt, muss dies gesondert geregelt werden und unter Umständen eine Sicherheitsbewertung durchgeführt werden.
In einem konkreten Fall bat ein internationaler Konzern im Zuge einer globalen IT-Migration darum, alle lokalen Personaldaten auf Server in Singapur zu transferieren. Ohne eine PIPL-konforme Prüfung der Notwendigkeit, der Sicherheitsvorkehrungen und ohne informierte Einwilligung der Betroffenen wäre dies ein massiver Verstoß gewesen. Wir mussten hier einen mehrstufigen Prozess etablieren, der lokale Compliance mit globalen Anforderungen in Einklang brachte. Meine Einsicht: Datenschutz ist im HR-Bereich kein IT-Thema, sondern ein Kernbestandteil der Personalprozesse und muss von Anfang an mitgedacht werden.
Abschluss und Ausblick
Wie Sie sehen, ist eine HR-Compliance-Prüfung in Shanghai eine vielschichtige und anspruchsvolle Aufgabe, die weit über eine reine Vertragsprüfung hinausgeht. Sie betrifft das Kerngeschäft jedes Unternehmens: seine Menschen und die damit verbundenen finanziellen und rechtlichen Verpflichtungen. Die Schwerpunkte – von den vertraglichen Grundlagen über die Sozialabgaben und Steuern bis hin zum modernen Datenschutz – bilden ein engmaschiges Netz von Anforderungen, deren Nichteinhaltung erhebliche finanzielle und operative Risiken birgt.
Die Bedeutung einer solchen Prüfung liegt nicht nur in der Vermeidung von Strafen, sondern auch in der Schaffung einer stabilen, fairen und rechtssicheren Arbeitsumgebung, die Talente anzieht und hält. Für Investoren ist ein sauberes HR-Compliance-Zertifikat ein wertvoller Vermögenswert, der den Unternehmenswert steigert und Überraschungen bei späteren Due-Diligence-Prüfungen (z.B. bei einem Exit) verhindert.
Meine Empfehlung lautet: Gehen Sie das Thema proaktiv an, nicht reaktiv. Lassen Sie nicht erst eine behördliche Untersuchung oder ein Mitarbeiterklage der Auslöser sein. Etablieren Sie regelmäßige interne Audits, investieren Sie in Schulungen Ihrer HR-Mitarbeiter und suchen Sie sich kompetente lokale Berater, die nicht nur die Gesetze, sondern auch die praktische Umsetzung und den „Geist“ der Shanghaier Behörden kennen. Die regulatorische Landschaft wird sich weiter entwickeln, besonders in Bereichen wie Datenschutz, Flexibilisierung der Arbeitsmodelle und Gleichbehandlung. Ein Unternehmen, das seine HR-Compliance im Griff hat, ist für diese Veränderungen bestens gewappnet und kann sich auf sein eigentliches Geschäft konzentrieren: erfolgreich am dynamischen Markt Shanghai zu wachsen.
Einsichten der Jiaxi Steuer- und Finanzberatung
Bei Jiaxi begleiten wir seit vielen Jahren ausländische Unternehmen durch die Tücken und Chancen des Shanghaier Marktes. Aus unserer Perspektive ist HR-Compliance kein isoliertes Fachgebiet, sondern untrennbar mit steuerlicher und unternehmensrechtlicher Compliance verwoben. Eine falsche Gehaltsabrechnung führt zu Steuerrisiken, fehlende Arbeitserlaubnisse gefährden die Betriebserlaubnis. Unser Ansatz ist daher ganzheitlich: Wir betrachten das Unternehmen als System.
Unsere Erfahrung zeigt, dass die größten Schwachstellen oft an den Schnittstellen liegen – zwischen globaler HR-Politik und lokaler Gesetzgebung, zwischen der Finanzabteilung, die die Löhne zahlt, und der HR-Abteilung, die die Verträge macht. Unser Rat ist stets, frühzeitig eine „China-Proof“-Strategie zu entwickeln. Dazu gehört, globale Vertragsvorlagen professionell lokal anzupassen, klare Prozesse für Gehaltsabrechnung und Meldungen zu etablieren und einen verantwortungsvollen Umgang mit Mitarbeiterdaten zu institutionalisieren. Wir helfen unseren Klienten nicht nur, akute Probleme zu lösen, sondern ein robustes und anpassungsfähiges Compliance-Rahmenwerk aufzubauen. Denn in einem Markt wie Shanghai ist Compliance keine Last, sondern die Grundlage für Vertrauen, Stabilität und langfristigen Geschäftserfolg. Investitionen in dieses Fundament zahlen sich immer aus.